Rezension
Die „Erdgeschichten“ von Katrin Schüppel fabulieren aufschlussreich über Wundersames aus der Wissenschaft:
„Eines Tages hatte das ewige Nichts ein Ende. Es gab einen Knall und eine riesige Staubwolke dehnte sich aus. Ohne diese Staubwolke hätte diese Geschichte nicht stattgefunden.“
Was für ein genial-gewaltiges, simples Intro zu einem Kinderbuch, den „Erdgeschichten“ von Katrin Schüppel.
Kinder bringen die Dinge gerne auf den Punkt. Vier- und Fünfjährige verblüffen die Erwachsenen damit, wie sie komplizierte Zusammenhänge und Scheinwelten in einem einzigen schnellen Satz treffend entlarven.
Mit banal strukturierten, hintergrundlosen Dinosaurier-Geschichten herkömmlicher Art, wie sie zumaß in den Buchhandlungen stehen, sind Kinder über drei eigentlich unterfordert. Sie brauchen mehr, um ihren Wissenshunger zu stillen und dabei gut unterhalten zu werden.
Katrin Schüppel, Geografin und Mutter zweier Kinder, gelingt dieses Kunststück mit dreifacher Kunst: Sie schafft es, ein spannendes Märchen aus „Erdgeschichten“ zu konstruieren, das die Historie unseres Planeten und seiner Lebewesen lebendig auffächert. Sie zeichnet „Erdteufel“, „Wetterhexe“, „Wasserweib“ und „Lebensgeist“, sowie deren wandlungsfreudige Umgebung, im ausdrucksstarken Stil phantasiebegabter Kinder und bietet damit nette Hingucker. Sie erzählt ein Märchen und informiert trotzdem wissenschaftlich korrekt, wie sich der Planet Erde naturgeschichtlich formte und entwickelte.
Damit hebt sich die Geografin mit ihrem 108-Seiten-starken Buch deutlich und erfreulich von Pseudo-Wissen-für-Kinder-Büchern ab, die für einen ähnlichen Preis maximal 108 Schlagworte unscharfer Halbwahrheiten, wenn nicht Wirklichkeitsverdrehungen, liefern.
Die meisten Menschen wissen über die Geschichte der Ureinwohner Amerikas das, was sie in ihrer Kindheit aus Karl-May-Romanen erfahren haben. Was dort nicht korrekt abgebildet wurde, hat kaum einer durch Beschäftigung mit korrekteren Beschreibungen revidiert. Wenn Kinder in ihrer saugstarken Neugier also an Fakten über Dinosaurier, Vulkane, Kontinente und Meere interessiert sind, sich gar Gedanken machen, wie die Menschen die Vernichtung von Natur und lebensfreundlichem Klima bremsen können, sind sie mit dem dialogreichen (Vor-)Lesebuch „Erdgeschichten“ bestens bedient.
Auch bei den Jüngsten kommt angesichts mancher grell beworbener Kinderwissens(bilder)bücher manches Mal schnell die Erkenntnis: „Da steht ja nichts drin“. Das werden sie bei diesem bunten Band, zu dem der Verlag Dr. Friedrich Pfeil die Autorin klugerweise ermutigte, sicher nicht sagen. Schließlich hält es für Kids ab dem Grundschulalter und auch für Erwachsene viele überraschende Erkenntnisse über den Urknall, und was daraus wurde, bereit. Staubtrocken ist dieses schlaue Buch sicherlich nicht, auch wenn es den Kenntnisreichtum eines naturgeschichtlichen Lexikons in den erdgeschichtlichen Abenteuern seiner exzentrischen Fabelwesen birgt.
Es wäre zu wünschen, dass dieses lebendige Wissensmärchen irgendwann als Kindermusical oder –Theaterstück umgesetzt würde und als Hörspiel erhältlich wäre. Bis dahin bietet es viel Stoff für gemütliche Vorleseabende mit der ganzen Familie, während sich draußen die Wetterhexe über Wind und Regen freut, und über Schnee und Eis staunt.
Annegret Handel-Kempf
Autor: Katrin Schüppel
Verlag: Dr. Friedrich Pfeil
Erschienen: 09/2011, 2. Edition 12/2018
ISBN: 978-3-89937-138-3
Seitenzahl: 108 Seiten
Lesealter: 6 – 9 Jahre