Präsenzunterricht ist nur zu verantworten, wenn die Luft rein ist: Spart nicht an den Schülern – Schafft endlich Luftreiniger an!


Kaum eine Lockerung des Lockdowns wird so vehement gefordert, wie die Rückkehr von Schüler*innen an die Schulen. Doch solange Lehrer*innen, Kinder und Jugendliche nicht umfassend geschützt werden, ist das schwierig. Wechselunterricht kann nur dann ein Anfang sein, wenn möglichst viel für die Ansteckungsprävention getan wird. Die Sachaufwandsträger müssen endlich die Fördertöpfe nutzen und mobile Luftreiniger mit hoher Filterwirkung in den Klassenräumen aufstellen, bevor weitere Schüler*innen in die Schulen zurückkehren.

Von Annegret Handel-Kempf

Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Geld muss auch für die Gesundheit von Schüler*innen locker gemacht werden.

Große, mobile Raumluftreiniger können hocheffizient wirken. Als Standgeräte, teils sogar auf Rollen, lassen sie sich einfach anschaffen und aufstellen. Eine integrierte, thermische Reinigung ihrer Filter erhöht die Hygiene, reduziert den Wartungsaufwand und die Funktionskosten.

Sachaufwandsträger, in der Regel sind das die Kommunen, nutzen als Ausrede gerne bereits vorhandene, festverbaute, raumlufttechnische Anlagen (RLTAs). Doch deren Umrüstung wäre teuer und zeitaufwendig und für die jetzt geforderten Schulöffnungen zu spät abgeschlossen. Denn die Aufwertung von stationären Lüftungsanlagen im Bestand zu vireneffektiven Raumluftreinigern braucht zu viel Zeit für Genehmigungsverfahren und reichlich Geld für den nicht unkomplizierten Umbau.

Manch moderne, stationäre RLTA tauscht die Luft stündlich komplett aus. Das klingt gut, reicht aber nicht. Die Viren bleiben als Last im Raum, wenn die Luftwechselrate nicht deutlich erhöht wird.

Fest verbaute RLT-Anlagen könnten gegebenenfalls auch im Winter bei Frost effizient arbeiten, sofern sie für einen Umluftbetrieb mit hochklassigen Filtern ausrüstbar sind. Hier besteht aber die Gefahr, dass virenhaltige Aerosole wieder dem Raum zugeführt werden. Davor warnt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in ihrem Dokument „Infektionsschutzgerechtes Lüften – Hinweise und Maßnahmen in Zeiten der SARS-CoV-2-Epidemie“. Deshalb sollten „geeignete Methoden zur Luftbehandlung mittels Abscheidung oder Inaktivierung von Viren“ angewandt werden.

Die Behörde nennt als geeignetes Filtersystem HEPA-Filter nach DIN 1822-1. Zusätzlich sei der Volumenluftstrom anzupassen, damit nicht ein Überdruck den Luftwechsel senkt und Undichtigkeiten in den Lüftungsleitungen begünstigt.

Klingt kompliziert. Einfacher sind mobile Luftreiniger, die ein Jahr nach Beginn der Pandemie schon längst in jedem Klassenzimmer und anderem Unterrichtsraum stehen könnten. Doch Eltern, Virologen und Schulen rennen bei den Sachaufwandsträgern gegen Wände. Ausgerechnet hier schlägt in Pandemie-Zeiten der Sparfuchs durch.

Worauf es ankommt: Wenn nicht genügend frische Luft über Fenster hereinkommt, muss die Technik helfen. Sagt auch das Umweltbundesamt (UBA). Denn fünf- bis siebenmal pro Stunde sollte die Luft in Innenräumen komplett gegen frische Außenluft ausgetauscht bzw. wirksam gereinigt werden. Das heißt, ein Luftreinigungsgerät muss zur Corona-Prävention innerhalb von 60 Minuten etwa das sechsfache Luftvolumen des Raumes filtern. Und zwar (in der zweiten oder dritten Filterstufe) mit einem HEPA-Filter (hochabscheidender Schwebstofffilter, High Efficiency Particulate Air Filter) der Klassen H13 besser noch H14, der nach der DIN-Norm EN 1822-1 geprüft ist. „Nur diese Filter scheiden auch wirklich 99,995 Prozent der Aerosolpartikel ab, die diese Viren tragen“, betonen Professor Christian Kähler und seine Mitautoren in ihrer August-Studie zur Frage: „Können mobile Raumluftreiniger eine indirekte SARS-CoV-2 Infektionsgefahr durch Aerosole wirksam reduzieren?“. Kähler forscht am Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München in Neubiberg.

Solange nicht Fachfirmen wirksame, mobile Luftreiniger aufstellen, besteht die Gefahr, dass in den Schulen vorhandene Sekundärluftgeräte als Ersatz genutzt werden. Das darf nicht geschehen. Denn beispielsweise Ventilatoren oder Heizluftgebläse könnten „Tröpfchen oder Aerosole mit Viren unter Umständen auf andere Personen lenken und so das Infektionsrisiko steigern“, lautet eine Warnung der Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin-Behörde BAuA vor Virenumtriebigkeit durch raumluftdurchmischende Technik ohne Reinigungswirkung.

Je länger keine verlässlichen Geräte angeschafft werden, desto größer wird die Gefahr, dass improvisiert und gebastelt wird, um Viren zu vertreiben: Die Weltgesundheitsbehörde WHO, das Umweltbundesamt (UBA) und diverse andere Institutionen raten, im Umfeld von Menschen auf Raumluftreiniger zu verzichten, die (ergänzend) mit ultravioletter Strahlung, elektrostatischer Wirkungsweise, Ozon, Plasma und Ionisierung wirken. Sie könnten reizen oder die Gesundheit gefährden. Hände weg, das gilt auch bei ungeprüfter und unerprobter Billigware aus zweifelhafter Quelle und mit niedrigen Standards. Aktivkohle-Filter, in Durchsatzgeräten häufig gegen Gase und Gerüche eingesetzt, haben allein keine Wirkung auf Viren.

Derzeit werden sehr viel mehr CO2-Messgeräte als mobile Luftreiniger in Schulen aufgestellt. In Bayern beispielsweise verteilt eine Staatssekretärin des Kultusministeriums großzügige Mengen der sensorischen Belastungsmesser, aber nur wenige Luftreiniger.

Immerhin könnten Kohlendioxid-Messgeräte feststellen, ob wirklich Luft ausgetauscht wird. Sie dürften jedoch nicht als Indikator für die Virenlast im Raum missverstanden werden. Dies rechneten Kähler und Kollegen Ende September in einer weiteren Studie mit dem Titel: „Schulunterricht während der SARS-CoV-2 Pandemie ‒ Welches Konzept ist sicher, realisierbar und ökologisch vertretbar?“ anhand mathematischer Modelle vor. Das Problem der Kohlendioxid-Messer: Anzahl und Aktivität der Menschen im Raum berücksichtigen die CO2-Ampeln den Forschern zufolge nicht und sie zählen keine Viren.

Fenster-Aufreißen reicht nicht. Und CO2-Messer wiegen uns in falscher Sicherheit. Lüften vor Unterrichtsbeginn treibt vorübergehend sogar die Aerosol-Konzentration hoch, während der CO2-Wert sinkt. Das stellte ein Team um Joachim Curtius von der Arbeitsgruppe Experimentelle Atmosphärenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt fest, als es in einer Schule mobile Luftreiniger mit einem HEPA-Filter ausprobierte und seine Ergebnisse in einem Preprint veröffentlichte.

Fazit – Endlich shoppen gehen und mobile Hochleistungs-Luftreiniger kaufen: Investitionen in mobile Luftreiniger werden teilweise vom Staat gefördert. In Bayern in einer zweiten Antragsrunde noch bis Ende März, mit bis zu 50 Prozent bzw. einem Förderhöchstbetrag von 1.750 Euro pro Raum.

Mehrere solcher Geräte wurden in Deutschland neu entwickelt und von Wissenschaftlern intensiv getestet. Als Referenz-Produkt für seine Studien verwandte das Institut für Strömungstechnik und Aerodynamik der Bundeswehr-Uni München solche Hochleistungs-Luftreiniger. Die mobilen Geräte wurden mit besonders hoher Filtervolumenleistung speziell für mittlere und große Räume wie Schulklassen, Büros oder Gastronomieräume konstruiert und getestet. Die Viren im Filter sollen durch die Erhitzung zerstört und der Entstehung von Bakterien, Biofilmen und Pilzen ohne gesundheitsschädliche chemische Zusatzstoffe oder UV-C-Strahlung entgegengewirkt werden.

Krankheiten, die durch Keime, Bakterien und Viren hervorgerufen werden, inklusive Corona und Influenza, sollen mit mobilen Luftreinigern vermieden, die Pollen- und Staubbelastung gesenkt und das Wohlbefinden von Allergikern und Asthmatikern gesteigert werden. Lernen würde so leichter und angenehmer.

Das heißt, mobile Luftreiniger könnten auch nach der Corona-Pandemie dazu beitragen, dass Kinder entspannter im Klassenzimmer sitzen und weniger Krankheiten aus der Schule mit heimbringen. Das sollte uns die Anschaffung wert sein. Und gegenwärtig ist Präsenzunterricht sowieso nur dann zu verantworten, wenn die Luft so rein ist, wie es technische Maßnahmen hergeben.

Copyright des Textes by Annegret Handel-Kempf, Redaktionsbüro Smarte Zeitung: Veröffentlichung, Abdruck und Verwendung der Inhalte nur mit Nennung der Autorin und gegen Honorierung. Bankverbindung und VG-Wort-Karteinummer auf Anfrage.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung