Die Rieger-Hofmann GmbH mixt althergebrachte Pflanzen mit Fortschritt und trennt die Blütensamen mit smarten Farbauslesern
Erfolgreich mit Artenreichtum – auch im Solarpark
Die Rieger-Hofmann GmbH mixt althergebrachte Pflanzen mit Fortschritt und trennt die Blütensamen mit smarten Farbauslesern

Eigentlich wollte Ernst Rieger mit Arznei- und Heilmittelpflanzen sein Brot auf geerbten Äckern verdienen. Stattdessen setzte er mit seinem Familienunternehmen vor über 40 Jahren auf den Anbau von Wildblumen und Wildgräsern sowie den Vertrieb von Wildsamenmischungen. Das Geschäft wuchs so kräftig wie die Biodiversität fördernden Pflanzen: 2020 lagerten Samen im Wert von neun Millionen Euro in den Regalen seines Versandhandels. Hochmoderne Maschinen verlesen die Saatgut-Mengen mithilfe optischer Hightech-Farberkennung rasend schnell und mit unverzichtbarer Genauigkeit.
Von Annegret Handel-Kempf
Hightech bei einem Samenhändler? – Ich stoße auf die Riegers bei einer Messe, auf der es um smarte Lösungen für den Ausbau Erneuerbarer Energien geht. Überraschend tauchen auf riesigen Bildwänden Wiesen voller Blüten, umgeben von Solarpanels, auf. Tatsächlich ist modernste Technik gefragt, wenn es um behutsame Biodiversitätsförderung geht.
Diverse Maschinen findet man an diesem Stand, der sich um Biodiversität dreht, auf den Fotos. Vom klassischen Handgerät, über Hackmaschinen, Sauggeräte und Nah-Infrarot-Technologie bis hin zu hochaktuellen KI-Sortierern, kommt auf den Äckern und in den Lagerhallen eines Wildsamenproduzenten eine wohl durchdachte Mischung an Technik zum Einsatz, um traditionelle Pflanzenvielfalt zu bewahren. Auf die Messe haben die Riegers Samentütchen mit dem Namen „Solarpark“ mitgebracht. Das macht nicht nur mich neugierig.

Immer wieder schauen Besucher herein, die sich für die ganz spezielle Kombination aus Technik, Klimaschutz und lebendiger Natur interessieren. Unternehmensmitgründer Ernst Rieger und sein Sohn Johannes, der mit anderen Familienmitgliedern der nächsten Generation die Geschäfte 2024 übernommen hat, lassen den Ansturm stoisch über sich ergehen. Die beiden Biodiversitäts-Pragmatiker geben pointierte Auskünfte über Blühflächen und Blumenwiesen, die Bedeutung von heimischen Arten und deren Vielfalt, sowie über die Vorgaben aus Politik und Naturschutz zu Renaturierung und Reinheiten.
Reinheiten sind wichtig, wenn es um den Ansaaterfolg einer Wildsaatgutmischung und damit die Erhaltung von Arten in großer Vielfalt geht. Auch darf nichts zwischen verschiedenen Samenvermehrungsregionen vermischt werden. Zumindest nicht von Menschen. Was die Tiere in der Natur von A nach B bewegen, ist eine andere Sache.
Maschinen helfen den Menschen, wenn es um Tempo und Genauigkeit geht. Eine klassische Maschine zur Saatgutreinigung schafft im Schnitt etwa 200 Kilogramm pro Stunde, abhängig von der Verunreinigung des ungereinigten Erntematerials.

Für die Reinheiten ist bei den Riegers modernste Technik im Einsatz. Besonders die Farbausleser sind sehr teure Maschinen. Immerhin stellen sie das „Nonplusultra“ der Saatgut-Reinigung dar, wenn alle anderen Sortierversuche gescheitert sind. Mit ihren exakt definierten Spektren erweisen sie sich als unverzichtbar, bevor die Blütensamen weiter für den Versand vorbereitet werden. Während klassische Maschinen nur Siebe mit unterschiedlichen Formen und Lochgrößen zum Reinigen verwenden, ist bei Riegers zum Sortieren auch eine optische High-Tech-Lösung im Einsatz. Besonders reine Feinsaatgutpartien sollen in einem synchronisierten Materialtransport- und Auswurfsystem erreicht werden, indem winzige Unterschiede ins Gewicht fallen. Ein hochauflösendes Vollfarb-Kamerasystem hilft dabei. Hier werden die „Guten“ von den „Schlechten“ superschnell, am Ende einer Rutsche, mithilfe eines kameratechnischen Vorabscans und optischer Farberkennung exakt differenziert. Ein Druckluftstrahl trennt dabei gleich große Körner, mit voneinander abweichender Farbe, innerhalb von Millisekunden nach der Analyse voneinander: Die „Schlechten“ bläst der Druckluftstrahl fokussiert aus. Im Zeitalter künstlicher Intelligenzen, kann sogar ein AI-Modus die Farbspektren mithilfe von Fotos vom Gutprodukt und vom Ausschuss berechnen.
Nur wenn die Einzelarten gut gereinigt sowie schlechtes und unreifes Saatgut von reifem getrennt sind, hat jede Charge die bestmögliche Keimfähigkeit und trägt so in der Mischung zum Ansaaterfolg bei. Bei einer artenreichen Mischung, die viele Wildpflanzenarten enthält, wird so der Weg zur Vermehrung der Artenvielfalt bestmöglich vorbereitet.

Das Beste aus einer Symbiose von Technik und Natur zu machen, ist mit der grassierenden Ausbreitung von Solarparks zu einer großen Herausforderung für Landwirte geworden. Doch die Wildblumen- und Wildgräser-Unternehmer Rieger wissen, wie Solarkraft sowie Renaturierungsvorgaben mit Ökonomie und Ökologie unter ein Panel zu bringen sind. Ebenso Mähmaschinen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz und in dessen Sinne blökende Schafe.

Wird nicht zugefüttert, gilt rund um die Solaranlagen: „Das Abgrasen erledigen fünf Schafe auf einem Hektar.“ Zusätzlich mähen die Bauern die Hälfte der Solarfläche Ende Mai oder Anfang Juni ab. Sie machen Heu oder Silage aus den Blüten und Gräsern. Im Jahr darauf, ist die andere Hälfte an der Reihe. Der Mensch hat weniger Arbeit, und die Schafe bis zum Ende der Weidezeit genug zu fressen. Zwischendurch gedeihen Kräuter und Gräser und mit ihnen viele Insekten und Tiere, die auf den konventionell betriebenen Äckern nichts mehr zu saugen und zu fressen finden.
Das Geschäft der Rieger-Hofmann GmbH wuchs dem Himmel entgegen, seit Ernst Rieger Anfang der 1980er-Jahre die ersten Samen – noch von Hand – aussäte. Ein Ausreißer in der von Biogasanlagen und Putenzucht geprägten Region im Hohenlohischen. Und nicht nur dort. Doch die Marktlücke, die auf heimische Wildarten setzt, war auch das Glück des Familienbetriebs: Um 25 Prozent pro Jahr trieben Wildblüten und -gräser die Umsätze nach oben.
Alles auch eine Frage der richtigen Technik: Als Ernst Rieger 1983 die ersten Gänseblümchen erntet, bleibt kaum etwas übrig vom Verdienst. Ernst schaut, was er ändern muss. Pflug, Grubber und Fräse sind wichtig, um den Boden vorzubereiten. Sämaschine, Güttler beziehungsweise Cambridge-Walze sollten danach bei der Ansaat mit gebotener Vorsicht eingesetzt werden, um das Saatgut obenauf zu säen und sanft anzuwalzen. „Festzukleben“ am Boden, der mit ausreichend Feuchtigkeit und Sonne von da an sich selbst überlassen bleibt. Ohne äußere Einwirkungen, bis eine Erntemaschine, ein sogenannter „Schneidlader“ mit einem Messer die Pflanzen abtrennt, die dann über ein Förderband in den Ladewagen transportiert werden.
Deshalb dürfen auch keine Zuchtsorten die Artenvielfalt sowie die Selbstorganisation der Natur und ihre Anpassungsfähigkeit an Veränderungen in der Umwelt stören. Lediglich Regenwürmer haben seit Urzeiten die Lizenz, kräftig mitzumischen und den Insekten mittels wohltuend luftiger Wuchserde reichlich Stoff in Blütenform zum Bestäuben zu liefern. Auch bei der „Solarpark“-Mischung, die besonders viele Blüten hervorzaubert, wenn der Boden mager ist. Für den vielartigen Mix, der sich an schattige, feuchte sowie trockene, sonnige Stellen im Umkreis der Solarpanels anpasst, gilt: Düngen verboten, wenn’s gut werden soll!
Bereits die zweite Ernte bringt den Riegers in den 1980er-Jahren mehr Geld. Ab da wächst das Geschäft mit Verkäufen an Kommunen, Saatguthandel und Autobahn-Betreiber. Zum Aussäen in öffentlichen Flächen, freier Landschaft, auf Blühstreifen und in Privatgärten. Im Jahr 2019 macht das Unternehmen einen Umsatz von 9,5 Millionen Euro. Erste Sortiermaßnahme und Voraussetzung für Lagerung und Versand ist, aus etwa 200 Tonnen Rohware die Wildsamen mit schonenden Rütteltechniken von der Spreu zu trennen. „Bei uns kommt jede Woche ein Sattelzug Rohware an, die wir reinigen. Wir haben sieben Reinigungsschienen, und da wird das ganze Jahr an sechs Tagen pro Woche gereinigt und eingelagert“, erzählt Ernst Rieger.
Auf dem eigenen Hof und in den Hallen sind 70 Mitarbeiter am Ackern. Zusätzlich zum selbst Angebauten stammen die Samen von etwa 2.200 Vermehrungsflächen der über 80 zertifizierten Partnerbetriebe auf deutschlandweit rund 900 Hektar. Die genau zu unterscheidenden Ursprungsgebiete liegen zwischen Alpen sowie Nord- und Ostsee. Getrocknet wird das Saatgut natürlich mit Sonnenenergie.
Die Samen ursprünglicher und vielfältiger Wildarten von Gräsern, Blumen und Leguminosen sind selten und kostbar. Deshalb wäre es sinnvoll, dafür geeignete Äcker, beispielsweise erosions- und überschwemmungsgefährdete Flächen, in extensives, artenreiches Grünland umzuwandeln. Um für Pflanzen und Tiere dauerhaften, kleinteiligen und strukturreichen Lebensraum zu schaffen, der ohne zu viele Eingriffe bestehen bleibt.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union sieht vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen als Reservoir für die Natur vor. Eigentlich. Denn Ukraine-Krieg und die lauten Proteste vor allem konventioneller Bauern sorgten 2023 und 2024 dafür, dass die Europäische Union Renaturierungs-Maßnahmen aussetzte.
„Wir haben einen heftigen Einbruch erlitten, weil die Politik die Blühflächen runtergefahren hat“, berichtet Rieger Senior, wie sich das Aussetzen der „Brachenpflicht“ durch die EU-Kommission auswirkt. „Allein in Baden-Württemberg haben wir vorletztes Jahr noch 18 Tonnen mehrjähriges Saatgut in die Landwirtschaft verkauft.“ Nur zwei Tonnen sind es 2024. „Uns fehlen dadurch bundesweit mehr als 15 Prozent Umsatz“, rechnet der Firmen-Mitgründer vor.
Die Samen wären da. Doch aktuell wolle sie keiner mehr. Dabei plante die alte Bundesregierung, das Anlegen von Blühstreifen mit etwa 800 Euro pro Hektar und Jahr bis 2026 weiter zu fördern, um den Lebensraum von Insekten und Biodiversität zu stärken. So die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Die vorvorletzte Bundesregierung war 2019 von der EU-Kommission aufgefordert worden, den Schutz von blütenreichen Wiesen zu verstärken. Um die Verpflichtungen gemäß der Habitat-Richtlinie des Rates zu erfüllen. So sollten Insekten, Vögel und Pflanzen inmitten intensiv genutzter Äcker einen Überlebensraum finden.
Das übergreifende Ziel der seit August 2024 geltenden „EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ (WVO) ist es, bis 2030 auf mindestens 20 Prozent betroffener Land- und mindestens 20 Prozent der Meeresfläche der EU Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen. Denn Pestizide, Dünger und Monotonie zeigen Folgen: Es mangelt zunehmend an Biodiversität und bestäubenden Insekten.
Diese Lücke versuchen die Riegers, mit ihren artenreichen, heimischen Wildsaatgutmischungen zu schließen.
Ohne genügend Biodiversität und Klimaschutz leidet die Wirtschaft und gehen den Menschen längerfristig die Lebensmittel aus. Um den Energiehunger der modernen Welt naturverbunden zu stillen, setzt das Familienunternehmen Rieger neuerdings auch auf die „Solarpark“-Samenmischungen, die unter und neben Solarpanels auf Freiflächen gut gedeihen. Die Nachfrage nach Mischungen, die sich rund um Solaranlagen in der freien Natur wohlfühlen, wächst weiterhin. Zumal dank der Wildblumen die Aussicht besteht, trotz der Ökostrom-Erzeugung keine Ausgleichsflächen nachweisen zu müssen.

Erneuerung statt Verbrauch ist das Credo von Mitgründer Ernst, der auch nach seinem Rückzug von der Geschäftsleitung, wie Gattin Birgit Rieger, noch sehr engagiert im Geschäft arbeitet. Nicht nur, wenn Messe ist. „Wir verkaufen am liebsten nur einmal“, sagt der Senior, dessen Familienunternehmen dennoch gedeiht. Auch wenn die Ernteerträge nicht so schnell rauf- und runtergefahren werden können, wie sich die politischen Richtungsschilder drehen. Dennoch ist für den Unternehmer klar: „Eigentlich wollen wir jeden Hektar nur einmal einsäen und dann der extensiven Nutzung durch Mahd oder Beweidung überlassen, wie es für den Erhalt der Wiesen und Weiden in unserer Kulturlandschaft notwendig ist. Und dann muss es so mindestens 100 Jahre ohne uns und unsere Mischungen weiterlaufen.“
Infokasten:
Unternehmen: Firma Rieger-Hofmann GmbH
Firmensitz: Blaufelden-Raboldshausen (Baden-Württemberg)
Gründung: Wildpflanzenanbau seit 1983, Wildpflanzenhandel seit 1994
Branche: Wildsamen- und Wildpflanzenproduktion und -handel
Vertrieb: deutschlandweit
Mitarbeiter: 70
Umsatz: k. A.